EthikJournal 1. Jg. (2013) Ausgabe 1
"Legitimation(en) sozialprofessionellen Handelns"
Fachartikel
Elisabeth Conradi
Ethik im Kontext sozialer Arbeit
Zusammenfassung Der Artikel bestimmt das Aufgabengebiet der Ethik im sozialprofessionellen Kontext, indem er individualethische mit sozialethischen Fragen verbindet und die Grenzziehung zwischen beruflichem und außerberuflichem Handeln erwägt. Es wird erörtert, ob eine Ethik im Kontext sozialer Arbeit von der professionell tätigen Person oder der sozialen Einrichtung her gedacht werden sollte und inwiefern die ethischen Erwägungen auch für ehrenamtlich Engagierte von Belang sind. Weiter werden zwölf Elemente der Ethik der Achtsamkeit entfaltet und Care als ihr Schlüsselbegriff eingeführt. Es geht um Verantwortungsübernahme, Präsenz und Ermutigung, aber auch um Gabe-Handeln und Wertschätzung. Abschließend wird der Vorwurf des Maternalismus entkräftet.
Schlüsselwörter Ethik der Achtsamkeit – Professionsethik – Institution – Sozialethik – Autonomie – Maternalismus
Susanne Dungs
Die Legitimität »aufheben«
Zum Problem der normativen Begründung sozialprofessionellen Handelns
Zusammenfassung Der Beitrag konzentriert sich auf die Ebene des direkten Arbeitsbündnisses und diskutiert dort, wie der Begriff der Legitimation gegenüber den AdressatInnen gefasst werden könnte. Dazu rekurriert er auf vier ethische Positionen, die sich um die Struktur des moralischen Gesetzes drehen. Vor dem Hintergrund dieser Positionen wird der Begriff der Legitimation auf den Prüfstand gestellt, denn das sozialprofessionelle Handeln muss gleichsam damit leben, dass die guten Gründe, aus denen heraus es ausgeübt wird, keine eindeutige Legitimation finden werden.
Schlüsselwörter Verwissenschaftlichung sozialen Handelns – Legitimation vom Anderen her – Grenzen des Wissens
Andreas Lob-Hüdepohl
„People first“
Die ‚Mandatsfrage‘ sozialer Professionen aus moraltheoretischer Sicht
Zusammenfassung Wie jedem beruflichen Handeln (Medizin, Pflege usw.), das auf andere Menschen einwirkt, stellt sich auch Sozialen Professionen die Frage ihrer Berechtigung bzw. moralischen Legitimation. Diese Frage wird üblicherweise mit dem Hinweis auf das ‚Doppelmandat‘ beantwortet. Dessen ursprüngliches Verständnis, das Soziale Professionen von der Seite des Staates zur Fürsorge und Kontrolle mandatierte, hat sich freilich erheblich verändert und sogar zu einem Tripelmandat erweitert: Soziale Professionen sehen sich von Seiten des Mandanten, des Staates und vom eigenen professionellen Selbstverständnis heraus zu Interventionen berechtigt. Diese Konzeption ist moralphilosophisch bzw. menschenrechtsethisch unbefriedigend und abzulehnen. Lediglich das adressatenseitige Mandat gilt kategorisch; Mandatierungen von Seiten des Staates sowie der Profession sind nur abgeleitet und gelten nur hypothetisch. Lediglich in Grenzfällen könnten sie zu weich paternalistischen Interventionen berechtigen. Dafür sind präzise Kriterien auszuarbeiten.
Schlüsselwörter Ethik Sozialer Arbeit – Menschenrechte und Soziale Arbeit – Doppelmandat – Tripelmandat – Paternalismus – Zustimmungspflicht/‘informed consent‘
Wolfgang Maaser
Sozialarbeiterische Profession im Spannungsfeld von normativem Selbstverständnis und sozialstaatlicher Beauftragung
Zusammenfassung Der Beitrag skizziert das zunächst schwierige Verhältnis von Ethik und Sozialer Arbeit im Rückblick auf die Genese der sozialen Profession. Auf der Grundlage der Unterscheidung von verschiedenen Möglichkeiten, Ethik und Soziale Arbeit aufeinander zu beziehen, werden Vorschläge für die Verortung der sozialen Profession im Kontext des Sozialstaates erörtert. Dabei stellen Veränderungen des deutschen Sozialmodells eine besondere Herausforderung dar. Der Blick auf aktuelle Problemanzeigen und normative Konfliktlinien macht schließlich deutlich, in welcher Weise die (sozial-) ethische Reflexion einen Beitrag zum Selbstverständnis und zur Positionierung der Sozialen Arbeit im gegenwärtigen Prozess der Transformation des Sozialstaats leisten kann.
Schlüsselwörter Ethik Sozialer Arbeit – Berufskodex Sozialer Arbeit – Menschenrechte und Soziale Arbeit – Tripelmandat – Aktivierender Sozialstaat
Michael Opielka
Gerechtigkeit und Soziale Arbeit
Sozialethische und sozialpolitische Perspektiven
Zusammenfassung Der Beitrag bietet eine sozialpolitische Verortung der Sozialen Arbeit im Gerechtigkeitsdiskurs und vor allem im Diskurs um die Weiterentwicklung des Sozialstaats. Zunächst wird die ambivalente Beziehung von Sozialpolitik und Sozialer Arbeit untersucht und eine Triangulation der Sozialen Arbeit aus sozialpolitischer und soziologischer Sicht vorgeschlagen. Im zweiten Schritt wird dies für die sozialpolitische Perspektive durchgeführt, um schließlich einige Anforderungen an die Professionalität Sozialer Arbeit in einer Bürgergesellschaft skizzieren zu können. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Vorschlag, die in der bisherigen Diskussion zum Verhältnis von Sozialpolitik und Sozialer Arbeit vorherrschende Dichotomisierung von Markt und Staat bzw. die Trias von Markt, Staat und Gemeinschaft, die sich bekanntlich auch in der Wohlfahrtsregimetypologie Gøsta Esping-Andersens (liberal/sozialdemokratisch/ konservativ) niederschlägt, um einen vierten Regimetyp, den „Garantismus“, zu erweitern – wobei die Frage lautet, ob ein solcher Regimetyp nicht nur eine sozialpolitische Perspektive weist, sondern ob er einer Sozialen Arbeit der Zukunft nützt.
Schlüsselwörter Ethik Sozialer Arbeit – Sozialpolitik – Sozialstaat – Garantismus