EthikJournal 7. Jg. (2021) Ausgabe 2

"Transformative Digitalisierung in der Sozialen Arbeit"

 

Editorial


Christian Ghanem/Andreas Lob-Hüdepohl

In zunehmendem Maße wird auch die Soziale Arbeit von der Digitalisierung weiter Teile der Gesellschaft erfasst und agiert selbst als Akteurin dieser Veränderungsprozesse. Nicht nur lebensweltliche Kommunikation von Klient:innen und Fachkräften finden zunehmend in digitalen Räumen statt, sondern auch professionelle Beziehungen und Organisationshandeln. Diese Transformationsprozesse stellen die Praxis genauso wie die Wissenschaft vor Herausforderungen, die nicht zuletzt mit der Corona-Pandemie vermehrt in den Fokus geraten. Die Digitalität von Umwelten hat mittelbaren und unmittelbaren Einfluss auf die Konstitution der Sozialen Arbeit, da sich dadurch veränderte Mechanismen potenziellen Regierungshandelns, neuartige soziale Probleme sowie Lösungsmöglichkeiten ergeben und Bewältigungskulturen entstehen, die Möglichkeitsräume für spezifisches Bewältigungsverhalten erweitern oder verengen.

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Fachartikel


Carmen Kaminsky

Digitale Transformation Sozialer Arbeit? – Ethische Orientierungen auf neuem Terrain

Zusammenfassung Das Fach Soziale Arbeit ist auf allen Ebenen herausgefordert zu entscheiden, wie weit es sich auf Digitalisierungen einlässt. Auf dem Spiel steht nichts Geringeres als das Selbstverständnis der Profession, die Effektivität ihrer Praxis sowie nicht zuletzt auch die Funktionstüchtigkeit ihrer Organisationen und Einrichtungen. Um zu klären, wie sich das gesellschaftsweite Phänomen der digitalen Transformation auf die Belange der Sozialen Arbeit auswirkt und zu welchen Wandlungen es in der Sozialen Arbeit führen darf und muss, sind verschiedene, sich überlappende normativ ethische Diskurse entstanden. Es geht im vorliegenden Beitrag darum, einen Überblick über die ethischen Dimensionen der laufenden Debatten zu gewinnen und erste Landmarken auszuweisen.
Schlüsselwörter Digitalisierung, Mediatisierung, Angewandte Ethik, Risikomanagement, Pro-fessionalität, Wohlfahrt      

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Björn Görder

Die Macht der Muster
Die Ethik der Sozialen Arbeit vor professionsbezogenen und gesellschaftlichen Herausforderungen durch 'künstliche Intelligenz'

Zusammenfassung Dieser Beitrag gibt einen Überblick über ethische Fragen, die sich beim Einsatz von KI-Algorithmen in der Sozialen Arbeit stellen. In Bezug auf konkrete Anwendungsszenarien akzentuiert er insbesondere Fragen der Transparenz, der Diskriminierung und der Selbstbestimmung. Darüber hinaus wird erläutert, dass KI-Technologie insgesamt eine gesellschaftsprägende Kraft entfaltet und sich daher für die Soziale Arbeit relevante ethische Fragen weit über den konkreten Technikeinsatz hinaus stellen. Diese betreffen beispielsweise die Gestaltung des Wirtschafts- und Sozialsystems, den Bereich des Politischen, die Grundstruktur sozialer Interaktion, das Selbstverständnis des Menschen und letztlich auch metaethische Grundlegungsfragen.
Schlüsselwörter
Selbstlernende KI-Algorithmen, Soziale Arbeit, ethische Kriterien, Diskriminierung, Transparenz, Prognose, Sozialethik  

Artikel


Andreas Kruse/ Eric Schmitt

Digitale Technologie und Gestaltung des Alterns – Notwendigkeit ethischer Diskurse

Zusammenfassung Nach einem einführenden Beispiel, welches die potenzielle Erweiterung des individuellen Handlungsrepertoires durch digitale Technologie veranschaulichen soll, wendet sich der Beitrag sieben international eingeführten und intensiv rezipierten Prinzipien ethischer Bewertung digitaler Technologie zu: Selbstbestimmung, Privatheit, Wohltätigkeit, Nicht-Schaden, Interdependenz, Gerechtigkeit, Erklärbarkeit und Transparenz. Diese Prinzipien, die dem Beitrag als ethischer Orientierungsrahmen dienen, werden speziell mit Blick auf die Verletzlichkeiten und Potenziale des hohen Alters diskutiert – und zeigen mit Blick auf diese ihren besonderen Wert. Weiterhin wird aufgezeigt, dass digitale Technologie über ihre engeren, spezifischen Zielsetzungen hinaus einen (allgemeineren) Beitrag zur Steigerung der Performanz, zur Förderung von Kompetenz und Plastizität sowie zur Stärkung der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen im hohen Alter zu leisten vermag; dieser allgemeinere Beitrag sollte, so wird gefordert, in Diskur-sen zu den Potenzialen digitaler Technologie stärker berücksichtigt werden. Der Beitrag konzentriert sich exemplarisch auf zwei Anwendungsfelder digitaler Technologie: Enhancement und Pflege. Diese beiden Anwendungsfelder werden dabei als die beiden Pole eines Ressourcen-Vulnerabilitäts-Kontinuums begriffen, wobei digitale Technologie ausreichend anpassungsfähig sein sollte, um angemessene Antworten auf Anforderungen zu geben, die die unterschiedlichsten Abstufungen dieses Kontinuums an Person und Umwelt richten. Es wird schließlich hervorgehoben, dass (alte) Menschen grundsätzlich das Recht haben, bestehende Technik nicht zu nutzen bzw. ihrer Anwendung im Einzelfall zu widersprechen – und dies unabhängig von einem von Anderen erwarteten Nutzen.
Schlüsselwörter Ethischer Orientierungsrahmen, Verletzlichkeiten im Alter, Potenziale im Alter, Ressourcen-Vulnerabilitätskontinuum, Performanz, Kompetenz, Plastizität, Selbstbestimmung

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Rebecca Gutwald/ Jennifer Burghardt/ Maximilian Kraus/ Michael Reder/
Robert Lehmann/ Nicholas Müller

Soziale Konflikte und Digitalisierung
Chancen und Risiken digitaler Technologien bei der Einschätzung von Kindeswohlgefährdungen

Zusammenfassung Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Relevanz, den Chancen und Risiken der Digitalisierung in der Sozialen Arbeit, wie sie im kooperativen Forschungsprojekt "Kann ein Algorithmus im Konflikt moralisch kalkulieren (KAIMo)" untersucht werden. Am Beispiel des spannungsreichen Feldes des Kinderschutzes thematisiert der Beitrag, ob und inwiefern digitale Technologien Fachkräfte bei der Einschätzung von Kindeswohlgefährdung unterstützen können. Auf der Basis aktueller Forschungen werden Anforderungen an eine digitale Lösung zur Unterstützung der fachlichen Praxis formuliert, die der ethischen Signifikanz Rechnung tragen sowie die praktische Anwendung durch Prototypen getestet. Im Beitrag werden die zentralen Forschungsfragen des Projekts diskutiert und die anvisierten Lösungsschritte aufgezeigt.
Schlüsselwörter Kinderschutz, Ethik der Digitalisierung, ethische Reflexion

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  • ISSN 2196-2480